„Vom Penedés ins Priorat“ - Teil 1
Penedés
Das Penedés ist mit seinen weltbekannten Marken wie Miguel Torrés, Codornìu und Freixenet ein Reich der Wein-Giganten.
Die meisten davon arbeiten einerseits mit modernster Verarbeitungstechnik, andererseits mit riesigen Kellerlabyrinthen und gigantischen Kapitalreserven in Form von Millionen Flaschen über Generationen hinweg, um ihre traditionellen Cava immer noch besser und wertiger hinzubekommen – dafür steht Cava del Penedès.
Shooting-stars wie Parés Baltà, versuchen ebenso wie die alte Giganten, mit hochselektiven Flagship-Weinen über extrem lange Hefereifung in der Flasche, der Konkurrenz aus der Champagne qualitativ ebenbürtig zu werden. Dabei ist der Preisunterschied im gehobenen Segment ein gerne genutztes und beeindruckendes Argument – Champagner und Cava unterscheiden sich, quer durch die Qualitätsebenen, in etwa um eine einfache „0“ am Ende des Preises.
Bei Führungen zeigt man Besuchern gerne die aufgeschlichteten Flaschen und die tausenden Rüttelpulte, die in endlosen Kellern oft 20 m unter der Erde jahrelang schlummern. Es ist für den Mitteleuropäer kaum fassbar, was hier über Generationen geschaffen wurde. Der Aufwand und die extreme Kapitalbindung, mit der oft Millionen Flaschen über 3 bis 10 Jahre auf der Hefe reifen, ist erstaunlich.
Zusätzlich arbeiten einige Weingüter daran, ein weiteres Qualitäts- Profil über den sortenreinen Ausbau der Grundsorten (Xarel.lo, Parellada und Macabeo) zu hochwertigen Weißweinen zu schaffen. Hier fällt vor allem der Xarel.lo als hochwertigste der Traditionssorten auf. Die mineralisch dichten, sattgoldenen Weine zeigen Aromen von Blutorange, Grapefruit, Zesten und Nüssen. Im Fass ausgebaut sind dies spannende Weine mit glaubhaftem Reifepotential.
Es gibt ein altes Problem, das die gesamte Region noch heute beschäftigt: Vor gut hundert Jahren hat auch im Penedés die eingeschleppte Reblaus die wurzelechten Weingärten vernichtet. Wie in ganz Europa mussten auch hier die Anlagen mit resistenten, veredelten Pflanzen neu errichtet werden. Dabei wurde viel Pflanzmaterial aus
Frankreich importiert. So kamen zuerst Merlot, Syrah und Cabernet ins Land, später um die Wende zum 20.Jahrhundert wurden zusätzlich Chardonnay und sogar Pinot Noir geholt. Damit sollte offenbar das internationale Geschäft beflügelt werden. Diese Rebsorten stören bis heute die Unverwechselbarkeit der Weinregion. Mittlerweile haben aber viele engagierte Winzer. verstanden, dass hier am besten gedeiht, was über Jahrhunderte für die Region selektiert wurde. Weiters geht auch das Interesse des Marktes in Richtung der indigenen Produkte und langsam kehrt die ganze Region schrittweise zu den alten Sorten zurück.
Durch das Anwesen von Cordonìu der Familie Raventós geführt zu werden, sprengt alle Dimensionen (www.codorniu.com). Es ist die weltweit größte Sektkellerei.
Vom Empfang in der Wein-Katherdrale, einem Architektur-Juwel aus der spanischen Modernisme, über die beeindruckende Parkanlage am Familien-Schloss vorbei, gelangt man in historische Kellereibauten, die samt den heute nicht mehr verwendeten Eichenfässern von 15.000 Litern je Stück bestens erhalten und gepflegt sind. Dann geht es ab in den Untergrund der 30 km langen Reife-Keller. Hier wird man schier endlos mit elektrischen Kleinbahnen durch die Keller gefahren, immer links und rechts von Sektflaschen umgeben. Das gibt es sonst nirgends auf der Welt in auch nur ähnlicher Größe.
Das vermutlich coolste und spannendste Gegenstück zu dieser traditionsverhafteten Riesenmarke, liegt ein Stück außerhalb von Vilafranca, bei Pacs del Penedès und heißt Parés Baltà (www.paresbalta.com)
Hier wird zwar auch einleitend mit Jahreszahlen, wie „seit 1790“ argumentiert - die Berufung auf Jahrhunderte lange Traditionen bringt halt immer Rückhalt im internationalen Weinverkauf - das läuft in diesem Fall aber eher am Image vorbei. Denn vor erst zwanzig Jahren haben zwei junge Frauen, beide Quereinsteigerinnen, das Schaffen von den Männern übernommen und kurz gesagt: kreativer geht’s nicht.
Marta und Maria Elena verfolgen erstaunlicher Weise im Keller völlig unterschiedliche Ansätze und vinifizieren sehr individuelle Weinlinien mit eigenen Brands. Man könnte Bücher schreiben über all die Wein-Themen, Rebsorten und Weintypen die man hier neben den großartigen und hochprämierten Cavas antrifft. Ich habe den jungen, äußerst sympathischen Verkaufsleiter Albert bewundert, wie er es schafft, das alles in einer Führung und extrem umfangreichen Verkostung unterzubringen. Vom Erfolg getrieben, unterhält die Familie auch schon weitere Weingüter im Priorat und in Ribera del Duero - immer unter einem eigenen, völlig unabhängigen Önologen, der sich kreativ ausleben soll und darf.
Ich versuche es in Schlagworten:
Bio-dynamisch, neue Reberziehungsformen, Rückzüchtung alter Weißwein-Sorten durch Umveredelung von Merlot Weingärten, großartige traditionelle Cavas in einem unglaublichen Keller, daneben weiße und rote Stillweine in verschiedensten Stilistiken und endloser Auswahl, Natural Wines, ungeschwefelte Rotweine, Demijohn Glasballons, Verrückte Orange-Experimente und vieles mehr….
Ein Beispiel: 100% Xarel.lo, gepresst und dann vergoren auf Schalen von Gewürztraminer in Amphoren von 200 bis 500 Liter, die aus dem Lehm der jeweiligen Böden der Weinberge gebrannt werden - mehr geht nicht!
Die Erwartungshaltung, die wir vor dem Besuch hatten, wurde letztendlich am besten von einem großartigen Cava im mittleren Preissegment getroffen: „Blanca Cusiné“ ist von Maria Elena gemacht und trägt den Namen ihrer Tochter. Die Winzerin zeigt hier ihr besonderes Können im klassischen Bereich. Die satte goldgelbe Cuvée ist vom Xarel.lo geprägt, er präsentiert sich mit angenehmer Säure, zeigt leichtes Toasting vom Fass, ist saftig und zugleich angenehm trocken, ein Erlebnis am Gaumen.
Fazit: Sommeliers weltweit sind begeistert von den Parés Baltà Weinen, ihren Geschichten und ihrem Geschmack und dem oft sehr individuellen Erlebnis. Auch wir sind beeindruckt, von dem endlosen hin und her durch alle Wein Themen und Stilistiken, aber oft auch etwas überfordert. Die Anlagen sind tip top, das Team unglaublich nett und aufmerksam. Die Betriebsline, nämlich keine klare Weinlinie zu haben und Individualität nach vorne zu stellen, ist frech und cool.