„Vom Penedés ins Priorat“ - Teil 2
Priorat
Die Winzer im Priorat haben ein ganz anderes Weinthema als das benachbarte Penedés. Es passt perfekt zu ihrer kargen, steinigen Landschaft mit den vielen steilen Hängen, Schieferbergen und Kleinterrassen: Sie erzeugen traditionell tiefe, dichte Rotweine aus der lebendig fruchtigen Garnacha-Traube und dem Carinena, der Dichte und Komplexität in die Weine bringt.
Niederschläge sind hier kostbar und die mageren Böden aus zersplittertem Schiefer bringen zwar niedrige Erträge, aber zugleich enorme Mineralität in die Weine. Cabernet und Syrah tauchen immer wieder auf. Ebenso wie im Penedès wurden sie nach der Reblaus aus dem nahen Frankreich geholt und sind heute oft ein kleiner Bestandteil in Cuvées.
Mit Winzern wie Alvaro Palacios und René Barbier haben sich dort Zugpferde etabliert die das Qualitätsstreben und die Bekanntheit der Region immer weiter nach vorne heben. Aktuelle Weine wie der Ermitá von Palacios gehen schon durch die Preisdecke und kosten unleistbare 1500,-/Flasche.
Bei der Fahrt über die schmalen Bergstraßen treffen wir immer wieder auf architektonisch beeindruckende neue Weingüter außerhalb der Dörfer. Die Weingärten wirken sehr gepflegt und neben uralten knorrigen Stockkulturen sehen wir auch viele neu angelegte oder revitalisierte Terrassen und Steillagen – ein Signal für den Aufwind in dem sich diese winzige Weinregion mit den gesamt nur 2400 ha Weinbergen befindet. Neben den Reben wird das Land für hervorragendes Öl aus Arbequena Oliven genutzt.
Ein uraltes von Abwanderung gezeichnetes Dörfchen wie Gratallops erwacht so plötzlich wieder zu neuem Leben. Nachdem wir bei den architektonisch gestalteten Spitzenweingütern in den Weinbergen außerhalb des Dorfes keine Chance auf eine Verkostung hatten, sind wir an einem schönen Samstag im Jänner durch den ruhigen Ort geschlendert. Wir haben die Eindrücke wie von selbst auf uns zukommen lassen, ohne vorher Besuchstermine zu vereinbaren oder Guides zu studieren. Das Schöne daran: Man trifft immer wieder auf freundliche, auskunftsbereite Menschen, die die Glaubwürdigkeit des Weinortes und seine Traditionen unterstreichen.
Eine nette ältere Dame die in Ihrer Haustür stand, hat uns freundlich eingeladen Ihren Keller zu sehen und ihren Wein zu probieren. Wie sich herausstellte war es das Familienhaus eines kleinen Weinguts namens Costers del Ros. Über enge steile Treppen wurden wir drei Geschosse tief in den Hauskeller geführt. Dort durften wir zwei Rotweine probieren, von denen einer durchaus beeindruckend war: ein unglaublich lebendiger und dichter Wein des Jahrgangs 2009 - die 15 Jahre hätten wir ihm nicht angemerkt, € 25,- pro Flasche zeigten uns, dass auch die „Alten“ schon wissen was ihr Zeug wert ist.
Einige Gassen weiter sind wir auf ein echtes Urgestein gestoßen: August Vicent ist schon vom Typ her das menschgewordene Priorat. Bei einer Verkostung der ersten Gläschen im Eingangsbereich seiner traditionellen Weinkellerei Celler Cecilio (www.cellercecilio.com), stellte sich bald heraus, dass wir auf einen besonders charmanten und gewitzten Gastgeber gestoßen waren. Ein Wort ergab das andere, wir waren rasch beim „Du“ und den Vornamen und wurden auf eine private Führung in den Keller eingeladen.
Die Verkostung aus den Rotwein - Fässern verschiedener Lagen und Sorten, die geschichtlichen Erklärungen und Augusts persönliche Philosophie der Stockerziehung (die er mir auf einem Fass mit Kreide aufgezeichnet hat 😊), waren mehr als beeindruckend. Am Schluss kam noch ein besonderes Highlight, das man nur im Priorat entdecken kann und das es nirgends in der Welt zu kaufen gibt: Das private Heiligtum des Kellers ist ein über 100jähriger (!) Ranci. Dieser reift ewig weiter in einem kleinen versteckten Eichenfass. Die Verdunstung durch das Holz und das monatliche Ausfüllen mit jüngeren Rancis macht ihn immer dicker, nicht nur im Extrakt und den Aromen, auch in der Säure. Er rinnt fast schwarz aus dem Heber wie eingedickter Nusslikör. Was sich dann in der Nase und am Gaumen abspielte war gewaltig, unglaublich ätherisch, dicht und zugleich von salziger Säure - ein Geschmackserlebnis das man sich merkt. Ranci ist übrigens eine regionale, oxidativ gereifte Variante aus hochreifen Trauben, die hier von den Winzern gerne als besonders lange gereifte Spezialität des Hauses gereicht wird und irgendwo zwischen Pedro Ximenez-Sherry, Portwein und Banyul eingeordnet werden kann. Was das Wort „Ranci“ eigentlich bedeutet, ist unterhaltsam, es zeigt wie klein die Welt ist und bedeutet nichts anderes als unser „ranzig“!
Fazit: Große Top Weingüter sind natürlich beeindruckend, aber Erlebnisse mit den echten Originalen schlagen alles.
Restaurant Tipps in der Umgebung:
„Cim“ Pacs del Penedes https://www.restaurantcim.com
„Cellers de Gratallops“ https://www.turismepriorat.org/de/get-organized/restaurant/cellers-de-gratallops
„Cal Xim“ https://www.instagram.com/cal.xim
„Moreno Sitges“ https://www.morenomajor17.com
„Casa Balcells“ https://casabalcells.com
Tipps für Ausflüge abseits von Barcelona:
• Lebendige Altstadt Vilafranca
• Bummel durch die Gassen von Falset
• Tarragona mit Kathedrale, Circus und Amphitheater
• Kloster Montserrat
• Quirlige Altstadt von Sitges